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High-End Hörgenuss nur für Männer?!

Foto: (c) stereoplay, Screenshot: @klische*esc e.V

Das Magazin für HiFi-Enthusiast*innen Stereoplay tutet mit seinem Coverslogan “Comeback der Männerboxen” ins alte verstaubte Horn des
HiFi-Sexismus. Mit “Männerboxen” sind besonders große, ausladende Lautsprecher gemeint. Lautsprecher für Frauen seien angeblich kleiner und schlanker.

Dass Stereoplay auf die Idee kommt, die Geschmäcker oder Ansprüche von Gehörgängen abhängig vom Geschlecht zu machen, liegt historisch begründet, ist jedoch nicht haltbar und zudem folgenreich:

In den 1950er Jahren waren Hi-Fi-Lautsprecher so groß, dass sie in den Wohnzimmern ziemlich viel Platz einnahmen. Wie bei MINT Jobs, waren Technikhobbies gesellschaftlich nur Männern vorbehalten. (Ehe-)frauen wurden an den Herd geschickt, Männer saßen nach Dienstschluss zigarrenrauchend in ihren Ledersesseln vor ihren Musikboxen, während sich die Frau standesgemäß über das ihnen vorenthaltene, räumlich ausschweifende Musikhobby, beschwerten. Aus eben dieser kliescheebeladenen Zeit stammt der Begriff “Männerboxen”. Bereits in den 1980er Jahren fanden Wissenschaftler*innen heraus, dass Personen sehr viel schneller das Interesse für eine Sache verlieren oder es gar nicht erst bekommen, wenn sie erfahren, es sei ausschließlich für das andere Geschlecht gemacht. Dieser sich auf beiden Seiten verstärkende Prozess vergrößert das Bedürfnis, sich selbst abzugrenzen oder z.B. durch das Besetzen mit Produktbegriffen wie “Männerboxen” die eigene Gruppenzugehörigkeit zu betonen.

No girls allowed

Bis heute haftet der HiFi-Szene eine sexistische Note an und audiophile Frauen tun sich schwer auf Messen und in Foren. Je niedriger der in den 1980ern aus der Hifi-Szene stammende “WAF” (Woman Acceptance Factor) ausfällt, also je weniger die “Männerboxen” von Frauen im heimischen Gemeinschaftsraum akzeptiert werden, als umso cooler gelten diese Lautsprecher in einigen audiophilen Kreisen.

Und wie so oft: Was im Kleinen beginnt und fortgeführt wird, bringt auch große Konsequenzen mit sich: Auch heute noch werden im Audiogeschäft arbeitende Frauen von Männern sexuell belästigt und aus dem “boys club” ausgeschlossen – sexistische Stereotype setzen die Schwellen herab.

Der Coverslogan der Aprilausgabe von Stereoplay und die Artikelüberschrift “Männerspielsachen” auf S. 22 befeuern diese klar sexistische Denkweise.

Liebe Herausgeber der Steroplay, warum ist es bei euch noch nicht angekommen, dass Frauen – und jegliches Geschlecht – genauso klangverrückt und perfektionistisch in Bezug auf Frequenzgänge, Tief-, Mittel- und Hochtöner, die Wicklung von Weichen oder die Größe der Membranfläche sein können, deren Herz allein beim Anblick von massigen La Scalas schneller schlägt, und die Referenzlieder immer und immer wieder hören können?

Wir sehen den Begriff “Männerboxen” dort wo er hingehört: Auf dem HiFi-Friedhof. Würde das Magazin mit ihren Begrifflichkeiten mehr inkludieren statt diskriminieren, gäbe es auch sehr viel mehr interessierte Käufer*innen dieser Nischenzeitschrift. Stereoplay hat das wohl immer noch nicht begriffen.

Ein Wink mit dem Zaunpfahl geht zum Magazin Stereoplay, wir hoffen sehr ihr nutzt ihn.
Ein herzliches Dankeschön für die Einreichung von Julia.

(sa)

VÖ: 4/2021
E: 4/2021