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Antworten auf häufig gestellte Fragren

FAQ

Woher kommen die Einreichungen?

Die eingereichten Beispiele erreichen uns via Twitter, Facebook oder Email. Wir ordnen sie ein in den Gesamtkontext ‚Reproduktion von Rollenklischees‘. Viel Spaß beim Stöbern in unserem Gruselkabinett des Gendermarketing. Bei Nachfragen melden Sie sich gerne bei uns.

Aber oft steht gar nicht drauf, dass das pinke nur für Mädchen sei und das blaue für Jungs!

Gendermarketing schafft zwei Zielgruppen, Männer und Frauen, Mädchen und Jungen, wo vorher nur eine war, um den Umsatz eines Unternehmens zu steigern. Das gelingt, indem den beiden Gruppen unterschiedliche Bedürfnisse zugeordnet werden (emotional, biologistisch begründet, damit wir sie glauben. Durchaus nicht wissenschaftlich belegt!) und, indem die Produkte oder ihre Verpackungen (also nicht unbedingt der Inhalt) sich unterscheiden, sodass jede Gruppe erkennt, welches das „richtige“ Produkt für sie sei. Entweder, indem es in Worten draufsteht, oder, indem es durch Bilder, Symbole, Formen und Farben gelabelt wird.

Nur eine Auswahl: 

  • glitzernd = weiblich; matt = männlich
  • Kleingemustertes = weiblich; schlichte Flächen = männlich
  • Schmetterlinge und niedliche Felltierchen (Häschen) = weiblich; Krokodile und gefährliche Felltiere (Löwen) = männlich
  • rot-violett-rosa-pink (Tendez bunt) = weiblich; schwarz-blau-braun-beige (Tendenz Matsch) = männlich
  • Kreise + Punkte + Wellen = weiblich; Dreiecke + Zacken + Blitze = männlich

Kombinationen erschweren die Zuordnung, im Zweifel fragen Sie bitte ein Fünfjähriges Kind. (Fachkräfte im Stoffgeschäft können hier weitere verblüffende Details aus ihren Beratungsgesprächen erzählen)

Gibt es nur 2 Varianten, wird nach Geschlecht sortiert

Diese Binarität geht verloren und das Angebot öffnet sich für alle, sobald es neben blau und rosa, neben Schmetterlingen und Löwen nicht nur zwei, sondern auch gelbe, karierte, grüne und bunte Varianten bzw. weitere Tiere gibt. Solange aber tatächlich nur zwei sich unterscheidene Varianten derselben Sache / Reihe nebeneinander stehen, gilt obenstehende Zuordnung. Für Erwachsene, aber noch mehr für Kinder, mit denen zu selten jemand Gespräche darüber führt, wie Werbung funktioniert, dass ein sich „anders“ entscheiden okay ist und dass Farben für alle da sind!

Doch da die Mehrheit der Erwachsenen die Zuordnungen gar nicht erst infrage stellt, geben sie ihren eigenen, unbewussten Bias an Kinder weiter. Somit ist also auch für Kinder, die nicht lesen können, völlig klar, welches Produkt laut Marketingindustrie für wen gedacht ist.

Label der Erwachsenen lenken Interessen der Kinder

Tatsächlich belegen Studien, dass Kinder sich länger mit einem Spielzeug beschäftigen, wenn auf der Schachtel steht, dass es für die Gruppe gedacht ist, mit dem es selbst sich identfiziert. Und dass sie es schneller wieder weglegen, wenn es laut Verpackung für „die anderen“ gedacht ist (Mehr dazu unter dem Stichwort „Minimalgruppenparadigma“ und Zugehörigkeit).

Eine weitere Studie zeigt, dass Jungen auch dann deutlich kürzer mit einem Spielzeug spielen, wenn es rosa ist, mehr noch, dass sie an einem neutral verpackten Spielzeug plötzlich das Interesse verlieren, sobald ihnen jemand das dazugehörige pinke Label zeigt oder ein Erwachsener sagt, dass das Ding „eigentlich“ für Mädchen gedacht sei. (‚Pink gives girls permission‚)

Darüberhinaus zeigen Kaufanalysen, dass Spielzeug, z.B. ein Experimentierkasten, auf dessen Verpackung nur ein Junge abgebildet ist, sowohl für Jungen als auch für Mädchen gekauft werden. Produkte, auf deren Verpackung Mädchen und Jungen abgebildet sind, werden durchaus auch für Jungen gekauft, für Mädchen sowieso. Produkte dagegen, auf denen nur Mädchen dargestellt sind, werden überwiegend nur für Mädchen gekauft.

Kinder erkennen mehr, als Erwachsene glauben

Gendermarketing trägt in Deutschland seit ca 2006 dazu bei, dass Rosa überwiegend als „Mädchenfarbe“ eingeordnet wird. Von Erwachsenen wie von Kindern, Ausnahmen bestätigen die Regeln. Wenn also auf einem Produkt keines der Wörter „Mädchen“, „Junge“, „Girls“ oder „Boys“… auftaucht, und sich ein Kind (oder Erwachsener) davon abwendet oder besonderes Interesse dafür zeigt, dann hat das zunächst nicht unbedingt mit dem Spielzeug, der Hose, dem Mäppchen oder dem Müsli selbst zu tun. Sondern es spricht einiges dafür, dass das Kind längst das kleine Herz auf der Innenseite des Hosenbunds entdeckt hat oder den Schmetterling auf der Schachtel, während Sie selbst sich grade Gedanken über den Preis oder die Funktionalität gemacht haben.

Pfahlspitze-Deko

Wieso macht Ihr die Unternehmen verantwortlich?

Bereits in den 1980er Jahren, also lange bevor in den USA Gendermarketing als Werbestrategie entwickelt wurde, haben die PsychologInnen Marilyn Bradford und Richard Endsley belegen können, dass Vorschulkinder dreimal so lange mit einem Ball oder mit einem Xylophon spielen, wenn ihnen zuvor gesagt wurde, es sei ein Spielzeug für ihr eigenes Geschlecht. Und umgekehrt verlieren sie sehr viel schneller das Interesse, wenn sie erfahren, es sei eigentlich für das andere Geschlecht gemacht. Gendermarketing teilt Kinder in zwei Gruppen und zwingt sie immer wieder, sich zu positionieren: beim Anziehen, beim Essen, beim Schulranzenkauf, beim Lesen oder Rechnen. Es zwingt sie damit auch, sich zu distanzieren von dem, was die jeweils andere Gruppe spielt, isst, mag und denkt. Damit ist in den vergangenen Jahren ein sich selbst verstärkender Prozess in Gang gesetzt worden: je mehr gegenderte Produkte auf den Markt kamen, desto größer wurde auch das Bedürfnis, sich abzugrenzen und durch ebensolche Produkte die eigene Gruppenzugehörigkeit zu betonen.

Ihr täuscht Euch, Mädchen mögen nun mal Puppen und Jungs sind eben wilder!

Wenn das so ist, wozu braucht es dann eine extra Beschriftung? Wir haben etwas gegen Gleichmacherei: Es gibt wilde Mädchen, die auch mal was anderes als Rosa tragen wollen, und es gibt Jungs, die Rosa mögen und nicht immer in Matschfarben durch den Tag wollen, die gerne tanzen, mit Puppen spielen und trotzdem wild oder ruhig, technikinteressiert oder sprachenbegabt sind. Wir schlagen vor, auf die geschlechtliche Zuordnung von Interessen, Verhaltensweisen, Farben und Spielzeug zu verzichten und einfach Kinder selbst entscheiden zu lassen. Denn immerhin heißt es im Grundgesetz Artikel 2 (1):

„Jede*r hat das Recht auf freie Entfaltung der eigenen Persönlichkeit“

Art. 2, Grundgesetz

Unsere Antworten auf das

Bullshitbingo des Gendermarketing

Nachdem unsere Initiative der Goldene Zaunpfahl, Award für absurdes Gendermarketing, mancherorts auf Unverständnis stößt, möchten wir ein paar Argumente beisteuern können, um die Diskussion über limitierende Rollenbilder des Gendermarketing am Laufen zu halten. Das #BullshitbingodesGendermarketing gibt es als Postkarte und als Poster im Vereinsshop.

Es sind doch nur Farben

Es spricht auch überhaupt nichts gegen die Farben Rosa, Lila oder Pink, aber sie werden vereinnahmt von der Werbeindustrie und zunehmend mit Schönheit, Anmut und Zartheit in Verbindung gebracht. Gendermarketing hat mit dazu beigetragen, dass Rosa heute als niedlich und sexy gilt und dass die Farbe Mädchen vorbehalten ist („Das ist aber ne Mädchenfarbe!„), anstatt dass sie für alle da wäre, denen sie gefällt. Zudem sind mit den Farben ganze Produkt- und Interessensbereiche verbunden, es sind also mitnichten „nur“ Farben. Deshalb lässt sich erst dann, wenn Spielzeug aus den Bereichen Schönheit, Pflege, Haushalt auch öfter mal in schwarz oder grün verpackt wird und erst dann, wenn auch Experimentierkästen und Konstruktionssets, deren Verpackung mit Jungs bebildert sind, in Pink beworben werden, vielleicht sagen „Es sind einfach nur Farben“.

Unternehmen müssen ihre Produkte nun mal verkaufen

Ja, richtig. Der Umsatz steht über der sozialen Verantwortung, und die Idee der Corporate Social Responsibility taugt oft nur als Feigenblatt. Das gilt ja auch für Smartphones, die nicht ohne Kinderarbeit hergestellt werden, und doch wird uns vermittelt, wir bräuchten alle 2 Jahre ein neues. Unternehmen müssen ja schließlich verkaufen. Vielleicht funktioniert unsere Welt auch deshalb so fair und frei von Diskriminierung, weil wir Wirtschaftswachstum über alles stellen und diese Priorität auch bei den Botschaften des Gendermarketing nicht infrage stellen.

Ich lasse mich von Werbung sowieso nicht beeinflussen

Die Marketingindustrie beziffert ihren eigenen, jährlichen Umsatz auf 30 Milliarden Euro und sie erforscht seit vielen Jahrzehnten, wie sich KäuferInnen am besten beeinflussen und zum Kauf bewegen lassen, idealerweise unbewusst. Ziel von Werbung ist es, in zufriedenen, wunschlos glücklichen Menschen, völlig neue Bedürfnisse zu wecken, die sie zuvor noch nicht hatten. Nur bei mir schafft sie das nicht, denn ich entscheide selbst. #findedenfehler

Mädchen lieben eben Rosa

Es ist grade einmal 100 Jahre her, da war Rosa gar keine „Mädchenfarbe“ und die Zuweisung „Mädchen lieben Rosa“ galt genau umgekehrt: Rot war in allen seinen Abstufungen die Farbe der Herrschenden, Könige trugen Rot (der Papst trägt bis heute Violett). Rot war also eine männliche Farbe, und Rosa, „das kleine Rot“ war Jungen vorbehalten, es galt als die stärkere Farbe. Blau dagegen war in der christlichen Tradition die Farbe Marias und Hellblau, „das kleine Blau“ dementsprechend die Farbe für Mädchen, es galt als feiner und eleganter. In Italien waren noch bis in die 1960er Jahre hinein manche Glückwunschkarten zur Geburt eines Mädchens blau und für einen Jungen rosa. Heute lernen Mädchen von Geburt an, dass Rosa eine weiblich konnotierte Farbe ist, in 100 Jahren könnte das schon wieder ganz anders aussehen.

Nur wer keine Hobbys / echten Probleme hat, regt sich darüber auf

Wir wünschen allen viel Energie und Ausdauer, sich nicht hier, sondern genau dort zu engagieren, wo sie die wahren Probleme dieser Welt sehen. Kommentieren Sie gerne im Tierschutzforum oder engagieren Sie sich für mehr Fahrradwege. Wir sind die Letzten, die sich Ihnen in den Weg stellen werden, denn wir sind schon mit unserm Hobby der Geschlechtergerechtigkeit beschäftigt.

Ich habe früher auch mit XY gespielt und bin heute ja auch emanzipiert, also!

Wer Teil einer Gesellschaft ist, hat auch deren Werte verinnerlicht. Deshalb melden auch nur ganz wenige Väter ihre Söhne, wenn die sich für Musik und Tanz interessieren, mit der allergrößten Selbstverständlichkeit zum Ballettunterricht an. Und selbst jene, denen es gelingt, sich in vielen, persönlichen Entscheidungen von kulturellen Zuschreibungen frei zu machen, sind doch angewiesen auf die vorhandenen Strukturen, selbst wenn diese bestimmte Gruppen benachteiligen. Dass Frauen mehr Geld in Schönheitsprodukte investieren, sich mehr von ihnen für die schlechter bezahlte Carearbeit entscheiden [1] und später häufiger in Altersarmut leben, wird als „natürlich“ empfunden. Doch Studien belegen einen Zusammenhang zwischen stereotypem Spielzeug und dem Selbstbewusstsein von Kindern. Für Jungen und Mädchen gilt: Je tiefer sie in die Spielzeugwelt der schönen, schlanken, passiven Prinzessinnen eintauchen, desto stereotyper wird ihr eigenes Verhalten. [2]

Wir reproduzieren keine Geschlechterklischees, wir reagieren nur auf Wünsche der KonsumentInnen

Werbung setzt durch Wiederholung Regeln und schafft Normen, wie ein Mann, eine Frau zu sein, zu essen, sich zu kleiden, wofür er oder sie sich zu interessieren hat. Die schiere Masse an Bildern, mit denen wir Tag für Tag konfrontiert werden, führt zu einer Verstärkung und Einengung dessen, was angeblich normal ist. Schwierig bis unmöglich schon für einen Erwachsenen, davon unabhängige Entscheidungen zu treffen. Undenkbar für ein Kind, das gerade erst dabei ist, die eigenen Vorlieben zu entdecken.[3]

Es wird gekauft, also gibt es einen Bedarf

Für die Werbung der 1950er mag das zutreffen. Doch Marketing heute funktioniert anderherum: der Fokus liegt darauf, zuerst einen (nicht vorhandenen) Bedarf zu schaffen, um ihn dann zu befriedigen.[4]

Wenn die Eltern das mit ihren Kindern nicht geklärt kriegen, können doch die Firmen nichts dafür

Es braucht ein ganzes Dorf um ein Kind zu erziehen. Kinder lernen nicht allein von ihren Eltern, die Regeln des gesellschaftlichen Miteinanders erfahren sie auch durch den Nachbarn, die Bäckerin, den Erzieher und die Lehrerin, durch Bücher und das Fernsehprogramm. Kinder lernen vieles ganz nebenbei, im alltäglichen Spiel nähern sie sich der Welt der Erwachsenen an, üben Regeln ein und finden so allmählich ihren Platz in der Familie und in der Gesellschaft. Sie experimentieren und bilden Kategorien und lernen dabei, nicht nur in Groß vs. Klein, Mensch vs. Tier, Mann vs. Frau einzuordnen, sondern auch in ‚typisch‘ und ‚anders‘, in ‚richtig‘ und ‚falsch‘. Schnuller und Teddys, Laufräder und Bilderbücher, Filme, Computerspiele und Werbung begleiten sie dabei und beeinflussen ihren Lebensweg. Und die Welt, die ihnen aktuell angeboten wird, ist in sehr viel mehr Bereichen in rosa und hellblau geteilt, als das bisher der Fall war.[5] Selbst wenn sich also Eltern dieser Strategie verweigern und Kindern alle Bereiche jenseits von rosa und hellblau anbieten, so sind Mädchen und Jungen immer auch durch die Botschaften ihrer Umwelt beeinflusst.

Also wir haben unseren Kindern nichts aufgezwängt, wir lassen ihnen die freie Wahl

Die Mehrheit der Eltern geht davon aus, Kinder „neutral“ zu erziehen. Und wenn sich die Tochter dann doch fürs Ballett entscheidet, obwohl sie einen Fußball geschenkt bekommen hat und wenn der Sohn die Autokiste vorzieht, obwohl er sich eine Puppe aussuchen durfte, dann ziehen viele den Rückschluss, es müsse an der Biologie liegen, die Gene seien verantwortlich, die Hormone, die Steinzeit… der eigene Einfluss und die allgegenwärtigen Botschaften werden dabei komplett ausgeblendet.[6]

Es steht ihrem Sohn ja frei, trotzdem ein rosa xx zu kaufen

Es steht Männern ja auch frei, sich für den Beruf des Erziehers zu entscheiden oder Frauen, Maschinenbau zu studieren. Mit den Kommentaren müssen sie dann eben klarkommen, wussten sie ja vorher, dass es nicht einfach würde. Sorry, aber Wahlfreiheit sieht anders aus. Wer sich über die Regeln des „Üblichen“ hinwegsetzt, bekommt das von der Umwelt zu spüren, und wer meint, ein „Du kannst ja trotzdem…“ reiche aus, um dem Vierjährigen seine Entscheidungsfreiheit zurückzugeben, irrt.[7] Allein das Labeln eines Spielzeuges durch Farben oder Fotos als „Mädchen-„ oder „Jungespielzeug“ führt zu genderstereotypem Verhalten. Wird Kindern ein zunächst neutrales Spielzeug (z.B. ein Xylophon oder ein Ball) als „extra für Mädchen“ vorgestellt, spielen Mädchen länger und interessierter damit, Jungen wenden sich früher davon ab. Andersherum spielen Jungen länger damit, wenn ihnen zuvor gesagt wurde, es sei für Jungen gedacht.[8] Kinder übernehmen also die Zuordnung der Erwachsenen ganz unabhängig vom jeweiligen Spielzeug, und sie lassen sich schon früh in ihren Entscheidungen vom Gruppenkonsens beeinflussen.[9] Das ist menschlich und wird Ihrem Sohn ähnlich gehen.

Die Tochter meiner Nachbarin mag grün, also kann der Einfluss nicht so groß sein

Und mein Sohn zum Beispiel hat mal ein Kleid in die Kita angezogen und ist trotzdem hetero, und meine Tochter kann besser Fußballspielen als mein Mann, also kann ja das mit dem Frauenfußball… Sorry, private Einzelbeispiele taugen nicht als Beleg für biologistische Theorien 😉[10]

Jungs und Mädchen haben nun mal unterschiedliche Grundbedürfnisse

Zu den Grundbedürfnissen gehören Liebe, Schlaf, ein Dach über dem Kopf, genug zu essen und sie gelten für alle Menschen gleichermaßen. Ein geschlechtergetrenntes Angebot auf der Speisekarte oder beim Bürobedarf gehört nicht dazu. Rosa geblümte Glitzerponys mit Flügeln und schwarze Monsterfighterfiguren auch nicht. Und wenn, dann sollten sie für alle da sein.

Lasst doch die Kinder Kinder sein und hört auf mit Eurem Genderismus

Erwachsene ändern ihr Verhalten gegenüber einem Kind schon vor Geburt, sobald sie das Geschlecht des Ungeborenen erfahren: Sie sprechen mit einem Fötus in höherer Stimmlage, wenn der Ultraschall ihnen ein Mädchen zeigt. Sie beschreiben einen Säugling, von dem sie annehmen, es sei ein Mädchen, als niedlich und zart. Wird ihnen dasselbe Kind später als Junge präsentiert, beschreiben sie es als kräftig und schätzen es schwerer ein.[11] Da wir davon ausgehen, Jungen und Mädchen hätten grundsätzlich unterschiedliche Bedürfnisse, behandeln wir sie unterschiedlich, selbst in Momenten, in denen es überhaupt keinen Anlass dafür gibt. Insofern einverstanden: Lasst doch die Kinder Kinder sein, und hört auf, sie in allen Lebenslagen nach Geschlecht zu sortieren und mit Euren rosa-hellblauen Erwartungen zu konfrontieren.

Wer sich daran stört, muss es ja nicht kaufen

Weit über 500 Werbebotschaften erreichen jeden einzelnen von uns täglich. Auf Werbung treffen wir in Bahnhöfen und an Bushaltestellen, auf Plakatwänden und Aufstellern, im Fernsehen, Radio und Internet, Zeitungen und Magazinen, im Kino, in Sportstadien, Gaststätten und Konzerthallen, auf Hochhausdächern und Häuserfassaden, im Himmel und buchstäblich auf dem Boden werden wir mit den Botschaften der Marketingindustrie konfrontiert. Werbung hat den öffentlichen Raum längst in Besitz genommen und beansprucht unsere Aufmerksamkeit über die Maßen. Die Geschlechterklischees der Werbung erreichen einen auch an Tagen, an denen man keinen einzigen Euro ausgibt. Und für Kinder gilt das noch viel mehr.

Kleine Jungs stehn nun mal auf Autos...

und „Außerdem gibt’s da diese Studie mit Affen…“. „Affen-Studien“ werden gern herangezogen als vermeintlicher Beleg dafür, dass die Vorliebe für Autos bei Jungen eine biologische Ursache habe. Denn wenn doch selbst bei Primaten die männlichen Tiere Spielzeugautos bevorzugten…. Doch das Setting der Studien sollte dabei nicht unter den Tisch fallen: Für eine gern zitierte Untersuchung mit Meerkatzen, wurde den Tieren unter anderen Gegenständen eine rote Bratpfanne als ‚Mädchenspielzeug’ ins Gehege gegeben. Rätselhafte Grundvoraussetzungen für eine Studie, gibt es doch keinen Primatenforscher, dem in seiner beruflichen Laufbahn Affen begegnet sind, die kochen konnten. In einer anderen Studie wurden Rhesusaffen beobachtet, die Spielsachen mit Rädern sowie Plüschtiere bekamen. Ein Durchgang musste zunächst abgebrochen werden, weil „ein Plüschtier in mehrere Teile zerfetzt worden war“.[12] Beides verdeutlicht die Problematik dieser Studien: Wir wissen überhaupt nicht, ob ein Kinderspielzeug für einen Affen, der es noch nie gesehen hat, dieselbe Bedeutung hat wie für uns. Welchen Wert haben dann die in solchen Studien gezogene Schlüsse? Und dann wäre da noch: (Spielzeug-)Autos sind männlich konnotiert, das lernen schon Kleinkinder noch bevor sie sprechen können, Mädchen bekommen sie seltener geschenkt, Mütter spielen seltener mit ihren Kindern damit, beim Spaziergang erklären Väter ihren Söhnen von Anfang an mehr über Automarken als ihren Töchtern. Schon bei 6 bis 12 Monate alten Kindern haben Jungen mehr „Außenweltspielsachen“ (Lastwagen, Werkzeug u.a.) während Mädchen eher „Haushaltsspielsachen“ bekamen. [13] Fünfjährige Jungs sind außerdem stärker an Jungsspielzeug interessiert, wenn sie damit rechnen müssen, von Freunden gesehen zu werden.[14] Viele kleine Jungen, die in der Kita nie mit Puppen spielen, machen das zuhause durchaus, sofern ihnen von den Eltern keine geheimen Lektionen dazu erteilt wurden. Und übrigens: „fünfjährige Kinder [klassifizieren] eine Babypuppe mit zornigem Gesichtsausdruck, die grobe schwarze Kleidung trägt, als Jungespielzeug, ein lächelndes, gelbes Auto, das mit Herzchen geschmückt ist, als Mädchenspielzeug“.[15] Also ab wann und für wen genau soll sie zutreffen, die Aussage „Jungs stehn nun mal auf Autos“?[16]

  1. 80% der Carearbeit wird von Frauen übernommen. Bundesagentur für Arbeit: Der Arbeitsmarkt in Deutschland. Gesundheits- und Pflegeberufe. Arbeitsmarktberichterstattung – 2011. 2011, S. 8
  2. „We know that girls who strongly adhere to female gender stereotypes feel like they can’t do some things,“ sagt Sarah M. Coyne, Leiterin der Studie. „They’re not as confident that they can do well in math and science. They don’t like getting dirty, so they’re less likely to try and experiment with things.“ (https://news.byu.edu/news/disney-princesses-not-brave-enough)
  3. Inken Kuhlmann-Rhinow: Werbung und Psychologie: So manipulieren Marken unser Unterbewusstsein
  4. Beispiel Fitness-Armbänder / Wearables bei Ströer
  5. „In the Sears catalog ads from 1975, less than 2 percent of toys were explicitly marketed to either boys or girls.“ (Elizabeth Sweet: Toys Are More Divided by Gender Now Than They Were 50 Years Ago)
  6. Mehr dazu auf rosahellblaufalle.de:  Also ich behandle Jungen und Mädchen gleich
  7. Beispiel auf rosahellblaufalle.de: Rosa Überraschungs-Eier „für Mädchen“
  8. Bradbard, M.R.; Endsley, R.C. (1983). The effects of sex-typed labeling on preschool children’s information-seeking and retention. Sex Roles, 9 (2), 247-260.
  9. Studie zu Gruppenzwang schon im Vorschulalter
  10. Mehr dazu im Internet unter dem Stichwort „Confirmation Bias“
  11. Die sogenannten Baby-X-Studien
  12. Hasset, J.M.; Siebert, E.R.; Wallen, K. (2008). Sex differences in rhesus monkey toy preferences parallel those of children. Hormones and Behavior, 54 (3), 359-364.
  13. Nash, A.; Krawczyk, R. (1994). Boys’ and girls’ rooms revisited. Vortrag vor der Conference on Human Development. Pittsburgh, Pennsylvania (nach Fine, Cordelia. Die Geschlechterlüge, München 2012, S. 315)
  14. Bannerjee, R; Lintern V. (2000). Boys will be boys. The effect of social evaluation concerns on gender-typing. Social Development, 9 (3), 397-408.
  15. Leinbach, Hort & Fagot, nach Fine, Cordelia. Die Geschlechterlüge. S.351
  16. Ergänzung zur Affenstudie: „Hauptkritik: Die Klassifizierung in “weiblich”, “männlich” und “neutral” scheint mir zumindest teilweise willkürlich für Affen (die Studie stützt sich soweit ich das verstanden habe, auf Aussagen von Kindern). Warum ein oranger Ball ein “männliches” Spielzeug sein soll und warum eine rote Bratpfanne von einem Affen als “typisch weiblich” wahrgenommen werden soll, bleibt mir ein Rätsel (der Schlachtruf der Alpha-Männchen “Äffinnen an den Herd” scheint mir doch irgendwie zu antropomorphisierend). Auch bin ich mir nicht so sicher warum ein Plüschhund im Gegensatz zu einer Puppe für einen Affen einen Geschlechtsunterschied machen soll. Auch mögen Menschen-Jungs vielleicht lieber mit Polizeiautos spielen, aber es ist plausibel anzunehmen, das ein Polizeiauto für einen Affen kaum ähnliches darstellt, und dieser wohl trotz aller Intelligenz kaum ein Verständnis des Konzepts “Polizeiauto” hat.“ (und noch mehr dazu von Ali Arbia auf Sciencesblogs)