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Bibi und Tina und die Pferdemädchen. Eine Welt ohne Jungen

Scheinbar nirgendwo findet sich eine solch große Fundgrube an Klischees wie bei Pferdemedien. Auch die Blue Ocean Entertainment AG bedient sich bei ihrem Spiel “Bibi und Tina: Reiterferien“ fleißig daran. Das Spiel lässt als Ich-Charakter nur stereotypische Mädchen zu. Hohe Stimme, lange Haare, entsprechende Klamotten, Gesichtszüge – insgesamt kommt am Ende immer ein weiblich gelesener Avatar heraus. Ein Screenshot aus dem Spiel, der im PlayStore gezeigt wird, verkündet: “Gestalte deine eigene Reiterin!” Reiter und nichtbinäre Reiter*innen gibt es bei der Blue Ocean Entertainment AG offenbar nicht, und auch keine Reiterinnen, die nicht den gängigen Klischees entsprechen.

Screenshot aus einem Bibi & Tina Tabletspiel: Der Hintergrund zeigt eine Reiterhof-Szenerie, im Vordergrund stehen zwei gezeichnete Charaktere. Rechts ist Bibi Blocksberg aus “Bibi und Tina”, links der Spieleravatar, ein weiblich gelesener Charakter mit langem braunen Pferdeschwanz, schwarzem Cappy, lila Ringel-T-Shirt und blauer Reithose. Darüber ist eine Sprechblase, die mit dem Namen “Jonas” markiert ist und auf den Spielercharakter zeigt.
(c) [Blue Ocean Entertainment AG], Screenshot: Jasmin ([@fuchsi_fuchsen]) / klische*esc e.V.
(c) [Blue Ocean Entertainment AG], Screenshot: Jasmin ([@fuchsi_fuchsen]) / klische*esc e.V.
(c) [Blue Ocean Entertainment AG], Screenshot: Jasmin ([@fuchsi_fuchsen]) / klische*esc e.V.

Auf Kritik antwortete das Unternehmen: “Gerne hätten wir einen männlichen Charakter angeboten. Jedoch sind unsere Hauptzielgruppe Mädchen, dies haben Nutzerumfragen ergeben. Ein männlicher Charakter bedeutet leider einen großen finanziellen Aufwand.”

Screenshot von einer Instagram DM: “Hallo! Erst einmal vielen Dank für Eure wertvolle Arbeit! Ich bin auf etwas gestoßen, was mich extrem wütend macht. Mein Sohn (6) interessiert sich sehr für Pferde und Reiten. Ich habe ihm mit "Bibi und Tina: Reiterferien" ein Spiel runtergeladen, das ihm viel Spaß macht. Das Absurde: Für die eigene Spielfigur können zwar etliche (Langhaar-)frisuren, modische Outfits usw. zusammengestellt werden, ein männlich gelesener Avatar ist allerdings nicht vorgesehen und auch nicht machbar. Nun könnte man argumentieren, dass ja nirgendwo steht, dass die Figur weiblich ist. Aber auch die Stimme des Avatars, die im Laufe des Spiels zu hören ist, ist ganz klar die eines Mädchens. Es wird also suggeriert, dass dieses Spiel nur für Mädchen spannend ist.”
Screenshot einer Google Play Bewertung für das Spiel “Bibi und Tina: Reiterferien”: “Offenbar ist es für die Macher dieses Spiels unvorstellbar, dass sich auch Jungs für Pferde interessieren. Für die eigene Spielfigur können zwar jede Menge (Langhaar-)frisuren und modische Outfits zusammengestellt werden, einen männlich gelesenen Avatar gibt es aber nicht. Vor diesem Hintergrund frage ich mich ernsthaft, welche Pädagogen dieses Spiel empfehlen und welche Rollenklischees hier reproduziert werden sollen. Herzlich Willkommen im Jahr 2022! Ich hätte mir mehr Diversität gewünscht!”
Screenshot einer Antwort des Entwicklers auf die Google Play Bewertung: “Hallo, danke für deine Anregungen. Gerne hätten wir einen männlichen Charakter angeboten. Jedoch sind unsere Hauptzielgruppe Mädchen, dies haben Nutzerumfragen ergeben. Ein männlicher Charakter bedeutet leider einen großen finanziellen Aufwand. Wir nehmen diesen Punkt sehr gerne auf unsere Liste und versuchen, dies bei Updates zu berücksichtigen.”

Hier zeigt sich eindrücklich der Kreislauf des Gendermarketings. Kurz gesagt führt Gendermarketing dazu, dass die Normen für weibliche und männliche Rollenbilder enger werden, es wird schwieriger, sie zu durchbrechen – und dann kommen die Unternehmen und sagen: “Aber die Kunden wollen es doch so!” und ähnliche fadenscheinige Argumente. Alle schon vertreten in unserem Bullshit-Bingo. Und auf der Grundlage werden noch mehr Produkte in rosa-hellblau produziert, noch mehr Gendermarketing, noch mehr, was den Kreislauf von vorne beginnen lässt.

Das ist gruselig, denn:

  • Das Produkt* richtet sich nur an ein (binäres) Geschlecht: Es schließt durch seine Gestaltung – z.B. durch die Verwendung bestimmter Farben (vgl. Rosa-Hellblau-Falle), Symbole, Aufschriften – oder auf andere Weise explizit oder implizit Menschen auf Grundlage ihrer Geschlechteridentität vom Kauf oder der Nutzung aus.
  • Die Werbung / Verpackung legt den Fokus auf stereotyp zugewiesene Eigenschaften einer Zielgruppe und legt damit fest, für wen das Produkt angeblich produziert wurde.
  • Das Produkt / die Werbung reduziert Personen auf ihre klischeehaft dargestellte Geschlechtszugehörigkeit und / oder reproduziert stereotype Geschlechterrollen.
  • Es werden Unterschiede zwischen den Interessen / Vorlieben der Geschlechter betont oder konstruiert.
  • Mädchen / Frauen und Jungen / Männer werden in hierarchischer Beziehung zueinander dargestellt.
  • Es besteht ein deutliches Ungleichgewicht in der Anzahl der abgebildeten (oder genannten) Frauen und Männer.
  • Das Geschlecht einer Person wird ohne Bezug zum Produkt besonders hervorgehoben und betont.
  • Das Produkt wird zwar als unisex-Produkt angeboten, enthält aber trotzdem eine implizite Geschlechtszuordnung.
  • Die Produktbeschreibung / die Werbung ist nicht geschlechtergerecht formuliert.
  • Das Produkt wird mit „Gender Pricing“ / „Pink Tax“ verkauft, d.h. die an Frauen gerichtete Version ist teurer.

Ein Wink mit dem Zaunpfahl geht nach Stuttgart, und ein herzlicher Dank für die Einreichung an Jasmin @fuchsi_fuchsen.

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