TW: Rassismus
Procura-24.de werben ungeniert und in in voller Größe auf Bussen mit diesem Werbeslogan: “Oma’s neue Polin” für ihren Pflegeservice. Die Werbung allein ist im Grunde schon schlimm genug: Sie paart unverhohlen Rassismus und Sexismus (oder sind gar nicht alle Pol*innen Pflegekräfte und alle Pflegekräfte weiblich?) und befeuert damit gleich zwei Stereotype. Hinzu kommen die dahinter steckenden abwertenden Realitäten.
- Pflegeberufe und überhaupt Care-Arbeit (Kinderbetreuung, Haushalt, private und berufliche Pflege etc.) werden schlecht oder sogar überhaupt nicht bezahlt (Equal Care Day).
- Diese Berufe und Aufgaben werden häufiger von Frauen ausgeübt.
- Osteuropäische Arbeitskräfte werden vor allem in Grenznähe hierzulande ausgenutzt, da man sie noch schlechter bezahlen kann als die deutschen Arbeitskräfte (Urteil zu ausländischen Pflegekräften – Das Dilemma bleibt).
Das Care Arbeit in Deutschland nicht genug wertgeschätzt und bezahlt wird, wurde im letzten Jahr nur allzu deutlich. Geändert hat sich daran aber leider trotzdem nichts. Die vielen verzweifelten lauten Rufe und Beschwerden der Eltern und Pflegenden setzen sich noch immer nicht in angemessene Reaktionen um . An Ideen mangelt es nicht: Der Equal Care Day macht jährlich lösungsorientiert auf das Problem aufmerksam. Das dazugehörige Manifest präsentiert kurz und knackig 18 konkrete Vorschläge deren Umsetzung die Lage verbessern könnte.
Aber zurück zu procura-24.de… sie scheinen von all dem nichts mitbekommen zu haben. Dieser Werbeslogan könnte fast als Satire durchgehen.. Aufgrund von zahlreichen Beschwerden hat procura-24.de die Werbung glücklicherweise mittlerweile zurückgezogen und niemand muss sie mehr in voller Größe anschauen. Uns und euch sagt das: Weiter laut sein, es hilft die Welt ein wenig gerechter zu machen.
So sang und klanglos lassen wir euch aber nicht davon kommen und sind uns einig: Einen Wink mit dem Zaunpfahl habt ihr euch allemal verdient! Er geht nach Cloppenburg zu procura-24.de.
(cd)
E:05/2021
„Es gibt Werbung, die so zynisch ist, dass ein Mensch dafür kaum Worte findet. Die Werbung des Pflegeservice procura-24.de ist eine davon.
Schätzungen zufolge arbeiten derzeit in Deutschland über eine halbe Million mobile Arbeitskräfte in Privathaushalten als Pflegehelfer*innen. Ganze 46 Prozent der in der häuslichen Pflege beschäftigten sog. Wanderarbeiter*innen kommen aus Polen, der Großteil davon ist in der 24-Stunden-Pflege beschäftigt. Diese erledigen die Aufgabe von drei ausgebildeten Arbeitskräften alleine, meistens sind sie allerdings nicht ausgebildet. Sie leben in einem Haushalt mit den zu Pflegenden, ohne Privatsphäre oder Freizeit, und müssen 24 Stunden für alles Denkbare zur Verfügung stehen. Dabei verdienen sie zwischen 800 und 1200 Euro im Monat.
Hier macht sich ein Unternehmen über diese regelrechte, unmenschliche Ausbeutung migrantischer Arbeitskräfte lustig, während es vermutlich selber von ebenjener Ausbeutung profitiert. Bei diesem Missstand überschneiden sich Sexismus und Rassismus: Eine weiblich konnotierte Arbeit unter so unbeschreiblich schlechten, Menschen unwürdigen Bedingungen würde kaum eine sog. Herkunftsdeutsche erledigen wollen. Hier wird sowohl das Armut in Nachbarländern als auch die Tatsache, dass diese Arbeit eher Frauen erledigen, missbraucht. Der Werbespruch “Oma’s neue Polin” (sic) ist ebenso entmenschlichend wie die realen Arbeitbedingungen, unter denen die aus Polen stammenden Arbeitskräfte gezwungen sind zu arbeiten. Die Werbung von procura-24.de ist schlicht inakzeptabel.“ (Sibel Schick, Journalistin, Autorin, Podcasterin und Social-Media-Redakteurin)