Gastbeitrag von Patricia Cammarata aka @dasnuf, Mitglied Goldener Zaunpfahl-Jury 2020
In meinem aktuellen Buch „Raus aus der Mental Load-Falle: Wie gerechte Arbeitsteilung in der Familie gelingt“ beschäftige ich mich v.a. mit der Frage: Wenn es zu einem Ungleichgewicht gekommen ist, wie schafft man es dann sich zu entlasten? In Interviews werde ich hingegen oft gefragt: „Wieso ist das eigentlich so? Wieso tragen v.a. Frauen den Großteil der mentalen Last für die Familie und die Haushaltsangelegenheiten?“

Die Antwort ist banal und gleichzeitig sehr komplex: Es liegt an der Sozialisation und daran welche Rollenstereotypien es für Männer und Frauen in unserer Gesellschaft gibt und daran, dass sich die meisten Paare spätestens nach der Geburt des Kindes auf eine Aufgabe spezialisieren: Männer werden finanzielle Versorger und Frauen Kümmerer. Viele Menschen halten das – wenn nicht gleich für gottgegeben – mindestens für biologisch selbstverständlich (und ignorieren damit wissenschaftliche Erkenntnisse, die zeigen, dass die Möglichkeit sich zu Kümmern nicht am Geschlecht hängt[1].)
Zementiert durch Glaubenssätze wie „Ein Kind gehört zur Mutter“ oder „Fürsorge liegt den Frauen im Blut“, lernen Mädchen von klein auf, was ihnen liegt und werden für das richtige Verhalten gelobt und verstärkt. Mädchen sind brav, sauber, hübsch und sollen nicht so vorlaut sein.
Dementsprechend werden sie mit Spielsachen versorgt. Ein Mini-Wischmopp, eine rosa Kinderküche, Puppen, die gefüttert und in den Schlaf gewiegt werden müssen. Sie bekommen Kleidchen und enge Hosen ohne Taschen und damit man schon einem Baby ansieht, ob es weiblich oder männlich ist und die entsprechenden Zuschreibungen vornehmen kann, bekommen schon die Säuglinge Ohrringe gestochen und Stirnbänder mit Blumen angezogen.
Den Jungs auf der anderen Seite geht es nicht besser. Sie haben auch keine Wahl. Mann ist wer stark ist, wer Macht ausüben kann, wer im Wettkampf Dominanz zeigen kann, wer sich gerne rauft und v.a. wer bitte nicht rumheult.
Den künstlerisch interessierten Jungs, den Jungs, die gerne tanzen und singen und denen, die tierlieb sind und gerne Puppen versorgen, den wird das schon noch ausgetrieben. Die Werbung zeigt ihnen, was männlich ist und was nicht. Jungs wollen Abenteuer erleben, raus in die Welt. Wenn eine verirrte Seele Sport machen will, dann aber Bauch, Beine, Po für Männer![2]
So begleiten uns die Vorstellungen davon, was „echte“ Frauen und was „echte“ Männer gerne mögen und tun von klein auf. Kein Wunder also, dass Frauen nach der Geburt des ersten Kindes oft gar nicht im Detail nachdenken, was es für Folgen haben wird, wenn sie jetzt ein Jahr oder länger aus dem Beruf aussteigen und dann dauerhaft Teilzeit arbeiten und auch Männer durchdenken die Konsequenzen nicht in den Einzelheiten. Sie schaffen die Kohle ran, bauen bestimmte häusliche Kompetenzen nicht auf: Was es zu essen gibt, welche Schuhgröße die Kinder haben, wie die Klassenlehrerin heißt, wann das Sommerfest ist und was mitzubringen ist: Frauensache – denen liegt das ohnehin viel mehr. Ihnen bleibt der Druck Alleinverdiener zu sein und nie ausfallen zu dürfen, weil dann die Raten fürs Reihenhaus und das schöne Auto nicht abgezahlt werden können.
Natürlich sind nicht nur die Spielsachen schuld, wie gesellschaftliche Bilder vom Mann- und Frausein entstehen, aufrechterhalten und weitergeben werden. Auch die politischen Rahmenbedingungen und Ungleichgewichte wie dass es z.B. bezahlten Mutter- aber keinen bezahlten Vaterschutz gibt, dass es wenig Anreize gibt – wenn überhaupt – mehr als 2 Monate Elternzeit zu nehmen, Ehegattensplitting und einseitige Modelle von Karrierewegen etc. spielen eine große Rolle, dass es nicht so einfach ist, diese tradierten Rollen zu Überwinden.
Es ist dennoch nicht zu unterschätzen, wie sehr unsere Kinder von klein auf in Schablonen gepresst und wie ihnen die Wahlmöglichkeiten eingeschränkt werden. Gendermarketing spielt hierbei eine große Rolle. Gendermarketing bedient keine biologischen Gegebenheiten sondern ordnet künstlich zu.
Den Seiten des goldenen Zaunpfahls ist zu entnehmen: „Die Strategie des Gendermarketing verkauft eine Welt, in der nicht nur Farben, sondern auch Interessen, Verhaltensweisen und Eigenschaften streng nach Geschlecht getrennt werden. Wahlfreiheit jedenfalls ist nicht ihr Ziel, und besonders Kinder bekommen das zu spüren. Der Goldene Zaunpfahl möchte genau darüber einen Dialog anregen und stellt Fragen zu Vielfalt und Identität, zu Zugehörigkeit und Normierung. Er will die limitierenden Botschaften, die traditionellen Rollenvorgaben und unterschätzten Wirkmechanismen von Werbung und Produktdesign offen legen. Er erinnert die Marketingbranche mit ihrem jährlichen Gesamtumsatz von 45 Milliarden Euro an ihre gesellschaftliche Verantwortung.“
Antje Schrupp schreibt in „Gegen den Geschlechterblödsinn„: „Indem wir Gendermarketing tolerieren, zementieren wir Rollen, behindern wir Kinder in ihrer freien Entfaltung. Wir machen es ihnen schwer, zu ihren eigenen, individuellen Vorlieben und Stärken zu finden, indem wir sie schon als Babys darauf trimmen, dass sie als Mädchen dies und als Jungen das zu wollen hätten.“
Das Problem ist also nicht, dass ein Mädchen eine Prinzessin sein möchte, sondern dass viele Mädchen in ihrer Phantasie gar nichts anderes mehr sein können als eine rosa glitzernde Einhornprinzessin und das es auf der anderen Seite gesellschaftlich ein Problem darstellt, wenn ein kleiner Junge davon träumt eine rosafarbene Einhornprinzessin zu sein, weil die Gesellschaft von ihm eben erwartet, dass er bitte der tapfere Ritter ist, der die Prinzessin rettet.
Deswegen unterstütze ich den goldenen Zaunpfahl gerne und bitte euch, eure Nominierungen bis Ende Oktober einzureichen.
[1] „Inzwischen ist aber widerlegt, dass es so etwas wie einen Mutterinstinkt gibt: Ein Forscherteam der Bar-Ilan-Universität in Tel Aviv konnte 2014 zeigen, dass die Amygdala als der für Gefühle zuständige Teil des Gehirns bei Männern die gleiche, erhöhte Aktivität zeigt wie bei Frauen, wenn sie die wichtigste Bezugsperson eines Babys sind. Mit homosexuellen Probanden gelang der Nachweis, dass für die Entstehung
einer starken Bindung nicht das Geschlecht entscheidend ist, nicht einmal die biologische Verwandtschaft, sondern allein, wie viel Zeit man wie intensiv für ein Baby sorgt. Die Autoren der Studie kamen denn auch zu dem Schluss: Während Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit starke Grundlagen für die mütterliche Fürsorge durch Amygdala-Sensibilisierung liefern, schuf die Evolution andere Wege für die Anpassung an die Elternrolle von Vätern. Und diese alternativen Wege kommen mit Praxis, Einstimmung und täglicher Betreuung» Beim Haushalt versteht sich von selbst, dass diese Aufgaben von allen erledigt werden können.“
aus „Wie Männer ins alte Muster fallen“ von Paula Scheidt, mehr zu diesem Themenkomplex in dem Buch „Mutter. Sein.: Von der Last eines Ideals und dem Glück des eigenen Wegs“ von Susanne Mierau.
[2] Wen das Thema (toxische) Männlichkeitsbilder interessiert, dem sei „Prinzessinnenjungs: Wie wir unsere Söhne aus der Geschlechterfalle befreien“ von Niels Pickert empfohlen.