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Warum kritisieren statt Positives hervorheben?

Wir freuen uns sehr, dass der Goldene Zaunpfahl schon mit der ersten Verleihung 2017 auf ein so großes Interesse gestoßen ist. Jetzt sind wir im vierten Jahr, und da es uns nicht gelungen ist, uns selbst und die Strategie des Gendermarketing abzuschaffen, machen wir gerne weiter. Bevor die diesjährige Preisverleihung startet, ist es uns ein Anliegen, unsere Position zu einem „Negativpreis“ zu erklären.

Negatives hervorzuheben, finden nicht alle gut. Wir im Grunde auch nicht, es wäre für alle besser, dieser Preis hätte keine Einreichungen. Außerdem gilt im Journalismus und für jede Textanalyse: Die Verneinung, so wie das Wörtchen „nicht“, geht schneller unter, als das, was verneint, kritisiert oder abgelehnt wurde:

Denken Sie jetzt nicht an einen lila Elefanten auf einer grünen Wiese!

Also treibt auch uns die Frage um, ob ein Negativpreis nicht eher kontraproduktiv ist, schafft er doch ausgerechnet Aufmerksamkeit für das, was wir uns aus der Welt wünschen. Wir sorgen also für Klicks und ja, womöglich erhöht unser Hinweis auf ein Produkt, dessen Werbung wir besonders sexistisch finden, trotzdem dessen Verkaufszahlen. „Warum helft Ihr denen auch noch!“.

Aber das ist natürlich zu kurz gedacht.

Sexismus verschwindet nicht, indem man ihn ignoriert

Motto: „Wir achten nur auf Qualität, nicht auf Geschlecht“. So einfach ist das nicht! Genauso wenig wie Rassismus sich nicht in Luft auflöst, indem man behauptet „Ich sehe keine Farben“. Um für ein Problem zu sensibilisieren, muss man es benennen, darüber ins Gespräch kommen, die Aufmerksamkeit schulen, ein Bewusstsein schaffen, um dann gemeinsam bessere Alternativen zu finden. Und genau das will der Goldene Zaunpfahl.

Und es gibt noch einen Grund, warum ein Negativpreis zur Zeit nicht verzichtbar ist:

Es gab in den letzten Jahren kaum ein Unternehmen, das auf einen tollen Spot nicht einen sexistischen folgen ließ. Wie können wir eine Fima positiv hervorheben, die sich im einen Jahr durch einen Werbespot gegen enge Rollenbilder ausspricht und im anderen Jahr auf Geschlechtertrennung und klischeehafte Sprüche setzt?

Positivbeispiel

2018 macht Dr. Oetker am 8. März, Weltfrauentag, Werbung mit einer fifty-fifty geteilten Pizza für mehr Gleichberechtigung

Oetker Pizza
Screenshot: klische*esc e.V.

Rolle rückwärts:

An allen anderen Tagen im Jahr reproduziert Dr.Oetker das Bild der treusorgenden Hausfrau, das schon 1954 sexistisch war („Eine Frau hat zwei Lebensfragen: Was soll ich anziehen? und Was soll ich kochen?“) und 2018 definitiv kein Remake gebraucht hätte:

Oetker Backfrau
(c) Dr. Oetker; Screenshot klische*esc e.V.

Positivbeispiel

Oder Hornbach: 2018 noch einen Spot produziert, in dem eine Frau traditionelle Rollenbilder mit einem Vorschlaghammer zerschlägt. Ein Spot, für den das Marketingteam mit dem Positivpreis ‚Pinker Pudel‘ unserer Kolleg*innen von ‚Pink stinks‘ ausgezeichnet wurde.

Hornbach Positivbeispiel
Screenshot: klische*esc e.V.
Hornbach Vatertag
Screenshot: klische*esc e.V.

Wie war das mit dem Zerschlagen klischeehafter Rollenbilder?

Positivbeispiel und gleich wieder zurück auf Null

Lidl wirbt 2019 mit dem wirklich sehr sympathischen Werbespot ‚Lidl Wow Families‘, der positive Aufmerksamkeit verdient hat. Lidl ist aber der Laden, in dem es zu Muttertag extra pinke Küchengeräte-Werbung gibt, geschlechtergetrennte Kinderkleidung in rosa und hellblau, und Bagels, die Lidl im selben Jahr auf Facebook mit „Loch ist Loch“ an… wen verkaufen möchte? Das scheint dem Laden egal zu sein, denn sexistische Provokation gilt dem Lidl-SocialMedia-Team offenbar als ergiebige Werbemaßnahme.

Wir bleiben also dabei:

Wer ein Problem aus der Welt schaffen möchte, muss es erst benennen.

Und weil das Bewusstsein über den nachweisbar negativen Einfluss, über das Ausmaß und die Allgegenwart von einengenden Rollenklischees leider nicht sehr verbreitet ist, verleihen wir auch dieses Jahr den Goldenen Zaunpfahl. In der Hoffnung, dass es irgendwann zur Routine wird von Medienmenschen, Erzieher*nnen und Lehrer*nnen, in Verlagsredaktionen oder Marketingabteilungen, über enge Rollenbilder und klischeehafte (Werbe-)Botschaften zu sprechen, sich fortzubilden und sie im (Arbeits-)Alltag zu vermeiden.

Almut Schnerring
Für das GoldenerZaunpfahl-Team

 

PS:
Unser Anliegen, die negativen Auswirkungen des Gendermarketing zu thematisieren, bringt noch eine weitere Hürde mit sich: Öffentliche Gelder zu bekommen ist gar nicht so einfach, denn die Tatsache, dass wir Unternehmen für ihre Marketingstrategie kritisieren kann der Grund für eine Ablehnung sein: „Wir wollen nicht Nörgeln, sondern lieber Positives kommunizieren.“ Oder unter vier Augen: „Wir riskieren damit, uns unbeliebt zu machen bei der Privatwirtschaft, das können wir uns nicht leisten“.

Ähnliches gilt fürs Sponsoring:
Welche Firma möchte schon einen Preis unterstützen, mit dem Branchen-Kolleg*innen abgemahnt werden? (Wer jetzt „Hier!“ ruft, bitte sehr gerne mit uns in Kontakt treten! 🙂 ). Dazu kommt, dass jedes Unternehmen potentielle*r Preisträger*in ist, und damit die meisten Firmenlogos, hätten wir sie als Sponsor*innen auf der Zaunpfahl-Internetseite, uns unglaubwürdig machen würden. Aber es gibt natürlich Ausnahmen: Unternehmen, die in ihrem Online-Shop auf die Einteilung in Damen-Herren, Jungen-Mädchen verzichten, und die sich in ihrer Werbung und Öffentlichkeitsarbeit explizit gegen Gendermarketing aussprechen. Falls Sie in einem solchen arbeiten, oder eines kennen > Bitte bewerben Sie sich für unser Positivabzeichen! Das Freispiel-Abzeichen – wir haben es 2019 eingeführt – zeichnet nicht einzelne Werbekampagnen aus, sondern die Werbestrategie eines Unternehmens in Bezug auf Rollenbilder.