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Vegane Kinderzimmer-Klischees vom Feinsten

„Es wird ein Mädchen“, also Schluss mit dem Fußballspiel von Vater und Sohn! Jetzt muss erstmal der Superheld mit Rosa überrollt werden, die Dinos weichen rosa Plüsch. Offenbar verschwindet im Werbespot der Firma Rügenwalder Mühle alles Spielzeug des kleinen Jungen, dessen bisheriges Leben mal eben weggewischt wird.

Die Botschaft aus der Klischee-Mühle ist deutlich. So deutlich, dass wir uns wundern, warum sie niemandem aufgefallen ist, bevor der Spot produziert wurde. Der arme Kerl. Sein wehmütiger Blick soll wohl nachdenklich rüberkommen. Denn am Ende des Spots erfahren wir, dass er die ganze Zeit bloß über Mamas Essgewohnheiten nachgedacht hat. Naheliegend. Nicht. Warum sollte er über Brotbelag nachdenken, während er unter dem rosa Mobile der zukünftigen Schwester tagträumt. Eher wundert er sich, warum seine Eltern so was Hübsches jetzt erst aufgehängt haben, schließlich gefällt es ihm auch.

 

Screenshot aus einem auf Instagram veröffentlichen Video des Accounts @ruegenwaldermuehle

Das Team der @ruegenwaldermuehle ist tief in die #RosaHellblauFalle gestolpert, und dem Spot ist sein Platz sicher in unserem Gruselkabinett des Gendermarketing. Schade drum! Denn der Spot wäre auch ohne binäre Geschlechterklischees möglich gewesen. Ja, die Botschaft hätte sich geändert. Nicht in Bezug auf veganen Brotbelag, aber in Bezug auf Wahlfreiheit und Vielfalt im Kinderzimmer.

Das ist gruselig, denn:

  • Das Produkt* richtet sich nur an ein (binäres) Geschlecht: Es schließt durch seine Gestaltung – z.B. durch die Verwendung bestimmter Farben (vgl. Rosa-Hellblau-Falle), Symbole, Aufschriften – oder auf andere Weise explizit oder implizit Menschen auf Grundlage ihrer Geschlechteridentität vom Kauf oder der Nutzung aus.
  • Die Werbung / Verpackung legt den Fokus auf stereotyp zugewiesene Eigenschaften einer Zielgruppe und legt damit fest, für wen das Produkt angeblich produziert wurde.
  • Das Produkt / die Werbung reduziert Personen auf ihre klischeehaft dargestellte Geschlechtszugehörigkeit und / oder reproduziert stereotype Geschlechterrollen.
  • Es werden Unterschiede zwischen den Interessen / Vorlieben der Geschlechter betont oder konstruiert.
  • Mädchen / Frauen und Jungen / Männer werden in hierarchischer Beziehung zueinander dargestellt.
  • Es besteht ein deutliches Ungleichgewicht in der Anzahl der abgebildeten (oder genannten) Frauen und Männer.
  • Das Geschlecht einer Person wird ohne Bezug zum Produkt besonders hervorgehoben und betont.
  • Das Produkt wird zwar als unisex-Produkt angeboten, enthält aber trotzdem eine implizite Geschlechtszuordnung.
  • Die Produktbeschreibung / die Werbung ist nicht geschlechtergerecht formuliert.
  • Das Produkt wird mit „Gender Pricing“ / „Pink Tax“ verkauft, d.h. die an Frauen gerichtete Version ist teurer.

Viele Firmen und noch mehr Eltern haben das Problem enger Rollenbilder in der Werbung inzwischen erkannt und wünschen sich ein Ende des Gendermarketing – die hohe Zahl der Einreichungen für unseren Negativpreis belegen das. Hoffen wir also, dass man im Rügenwald / Bad Zwischenahn bereit ist, mit der Kritik umzugehen, die dort jetzt bestimmt in großer Zahl eingeht. Wir sind gespannt auf die Antwort.

(as)

Nachtrag:
Wir freuen uns, dass das SoMe-Team der Rügenwalder Mühle reagiert hat, sind aber nur so mäßig glücklich mit der Antwort. Wie werdet Ihr denn „stärker darauf achten“? Die Tatsache, dass im Spot die gängigen Symbole eingesetzt wurden, mit denen im Gendermarketing hantiert wird (Dino, Held + blau vs. Plüsch, Glitzer + rosa), zeigt, dass Ihr Euch mit der Problematik bisher nicht weiter befasst habt. Bitte schaut Euch auf unsern Seiten um, diskutiert im Team unsere Kriterienliste, und noch besser: holt Euch eine Person von Extern, die mit Euch in einem Workshop den Unconscious Gender Bias erarbeitet.