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Rassistische Werbung von VW

Von Tina Adomako

Vor einem Jahr stand ich auf der Bühne im HAU, Berlin und habe einen kurzen Vortrag über Rassismus in der Werbung gehalten. Dabei habe ich ein paar Beispiele aus der Vergangenheit gezeigt, für die sich die Produkthersteller*innen später entschuldigt haben. Niemals, ever, hatten sie mit ihrer Werbung vor, Menschen zu diskriminieren. Und den Rassismusvorwurf weisen viele ganz vehement von sich. Ein Beispiel, auf das ich damals einging, war eine Werbung der Bekleidungsfirma H&M für Kinder-Hoodies. Diese Werbung hatte damals einen solchen Shitstorm in den sozialen Medien nach sich gezogen, dass man davon ausgehen muss, dass jede auch nur halbwegs professionell arbeitende Werbeagentur spätestens danach für das Thema rassistische Werbung sensibilisiert war – und niemals unbeabsichtigt selber solche Werbung produzieren würde.

Rassistische Werbung von H&M "Coolest monkey in the jungle"
Screenshot: klische*esc e.V.

Doch entweder lernen Werbeagenturen niemals von den Fehlern ihrer Mitbewerber (dabei treffen sie sich jedes Jahr auf verschiedenen internationalen Marketing Messen) oder der systemische Rassismus sitzt so tief, dass manche Verantwortlichen die rassistischen Bilder in ihren eigenen Köpfen nicht erkennen, oder es sind echte Rassist*innen am Werk, die einfach Spaß daran haben, andere Menschen zu beleidigen und zu entmenschlichen.
Denn wie konnte es sonst dazu kommen, dass im Jahr 2020 ein Konzern, der viel, viel größer ist und dazu viel globaler agiert als H&M, den H&M Fehlgriff auch noch toppt? Vielleicht liegt es daran, dass kein Skandal für diesen Konzern zu skandalös ist. Bezahlte Bordellbesuche, Motoren Manipulationen und jetzt Rassismus. Der Automobilkonzern VW, dessen Autos nicht nur in Wolfsburg sondern auch in Brasilien gebaut werden, und der in naher Zukunft einige Modelle auch in Westafrika, in Nigeria und Ghana zusammenschrauben lassen will, hat in einer Instagram-Story den neuen VW Golf vorgestellt. Und sich dabei einer so unglaublich rassistischen Bildsprache bedient, dass es einem die Sprache verschlägt: Da steht ein VW-Golf am Straßenrand. Kommt ein Schwarzer Mann ins Bild. Dieser wird, einem Hampelmann gleich, von einer weißen Hand am Auto vorbei und in ein Gebäude mit der Aufschrift „Petit Colon“ geschoben. „Petit colon“, das klingt französisch. Aber was soll das bedeuten? Der französische Duden, der petit Robert erklärt das so: Personne qui est allée peupler, exploiter une colonie. Ein colon ist also ein Kolonisator, ein Exploiteur, ein Ausbeuter. Das Wort lässt wohl alle halbwegs lesefähigen und denkenden Mitarbeiter*innen einer Agentur eine Assoziation zum Kolonialismus herstellen.
Ich stelle mir vor, wie das abgelaufen sein könnte. Der location scout meldet die perfekte Straße für den Dreh. „Da ist aber ein Haus, da steht kleiner Kolonisator drauf. Könnte das ein Problem sein?“ „Ach was, perfekt ist das“, antwortet der kreative Kopf der Agentur, „Passt zu der Idee, einen Schwarzen Mann von einer weißen Hand herumkommandieren zu lassen. Die Schwarzen haben ja eh nichts zu melden. Hahaha. Das wird lustig!“ Gesagt, getan.

Beim Bewegtbild eines Schwarzen Mannes, der völlig willenlos von einer weißen Hand hin und her geschoben wird, bleibt selbst bei blühender Phantasie nicht viel Spielraum, sich einen harmlosen, nicht-rassistischen Bezug vorzustellen. Und dann kommt der Knaller überhaupt: das N-Wort erscheint – ganz kurz nur – bis die angebliche eigentliche Werbebotschaft zu lesen ist: Der Neue Golf

Gleich drei rassistische Bilder in weniger als drei Minuten – nur ein dummer Zufall? Oder eine kleine Kostprobe tief verwurzelten Rassismus? Nachdem sich zahlreiche User*innen über den auf Instagram veröffentlichten Spot empörten, hat sich VW – natürlich – entschieden und vehement von jeglicher Absicht, rassistisch oder diskriminierend sein zu wollen distanziert. Der Spot wurde entfernt und der „fauxpax“ zunächst der Agentur in die Schuhe geschoben. Wer je mit Agenturen zusammen gearbeitet hat, weiß, dass diese niemals eine Werbung ohne das OK ihrer Auftraggeber*innen veröffentlichen können. Kein Plakat, keine Anzeige in einem Magazin, kein Banner im Internet und auch keinen Werbespot auf Instagram oder Twitter. Später sagte man bei VW, das Ganze war spielerisch gemeint und sollte das Thema Vielfalt ansprechen. Konsequenzen bei den Verantwortlichen gab es keine.

Interessant außerdem: als der Spot schon Wochen vorher auf dem persönlichen Twitter-Account von VW-Vertriebsvorstand Jürgen Stackmann veröffentlicht und Kritik am enthaltenen Rassismus laut wurde, war er kurz darauf gelöscht worden. Trotzdem wurde derselbe Clip Tage später auf Instagram gepostet. Von „überrascht“ kann also keine Rede sein (Quelle: SZ).

Immerhin : Im Nachgang hat der Konzern bekanntgegeben, ein « Ethik Board » einrichten und « Ethik-Schulungen » durchführen zu wollen (Quelle: SZ). 

Tina Adomako