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Jungen haben kurze Haare und Mädchen tanzen gerne?

Über einen verfehlten Versuch im Grundschulunterricht, Geschlechterstereotype abzubauen

Aktualisierung vom 16.07.2021 siehe unten.

Liebes Klett-Team,

ich war am Wochenende bei meiner kleinen Nichte zu Besuch, die in die 2. Klasse geht. Mit Erschrecken musste ich in ihrem Arbeitsheft aus Ihrem Verlag die angehängten Aufgaben lesen. Allgemeine, kindliche Verhaltensweisen sollen Mädchen/Jungen/beiden zugeordnet werden.

Ernsthaft? Wie sähe denn die Lösung aus? Es gibt wohl nur eine – alle angegebenen Tätigkeiten sind für alle Kinder gleich möglich und nichts ist typisch! Denn genau solche Zuordnungen drängen Mädchen und Jungen in Stereotypen, die eine moderne Gesellschaft nicht braucht! Stereotypen müssen aufgedeckt und reflektiert werden-hierbei ist bei dieser Aufgabe in keiner Weise etwas zu erkennen-die Tätigkeiten sollen lediglich zugeordnet werden. Und genau diese Zuordnung ist fatal!
Ich bitte Sie hiermit, solche Aufgaben aus Ihrem kompletten Arbeitsmaterial zu nehmen! Teilen Sie mir bitte mit, wie Sie mit meinem Anliegen weiter umgehen.

Mit freundlichem Gruß
L . Hellmich


Sehr geehrte Frau Hellmich,

vielen Dank für Ihre Nachricht. Diese Arbeitsheftseite gehört im Schulbuch zum Kapitel Körper und Gesundheit und soll dazu dienen das Geschlechterrollenverhalten zu thematisieren und Klischees zu hinterfragen.
Informationen zu unserem Umgang mit Ihren personenbezogenen Daten und Ihren Rechten nach Art. 13, 14, 21 DSGVO entnehmen Sie bitte unserer Datenschutzerklärung unter https://www.klett.de/datenschutz

Mit freundlichen Grüßen

Ernst Klett Verlag GmbH
Kundenservice



Sehr geehrtes Klett-Kundenservice-Team,

wir wünschen uns eine Antwort, die über diesen einen Satz hinausgeht. Diese Übung „soll“ dazu dienen, Klischees zu hinterfragen. Uns ist klar, dass Sie nicht die Verantwortung dafür tragen, wie der Unterricht mit Ihren Materialien gestaltet wird. Aber wie sorgen Sie denn Ihrerseits dafür, dass Übungen in Ihrem Sinne umgesetzt werden? Wie lautet die Arbeitsanweisung im Kleingedruckten, welche Unterstützung bekommen Lehrkräfte, damit hier keine traditionellen Geschlechterrollen zementiert werden? Uns fehlt eine klare Aussage (die auch Eltern und Kinder lesen können, falls die Aufgabe im Unterricht gar nicht behandelt wird) aus der hervorgeht, dass die Fragestellung dazu einladen soll, über limitierende Zuschreibungen zu diskutieren, und dass selbstverständlich alle Kärtchen grün gekennzeichnet werden dürfen, gar müssen, da Interessen und Haarlänge etc. nichts mit dem Geschlecht zu tun haben, sondern alle sich frei entscheiden können. Die Aufgabe in ihrer jetzigen Form bietet zu viel Potenzial das Gegenteil zu vermitteln: Uns erreichen regelmäßig Elternberichte, dass ähnliche Aufgaben im Unterricht geschlechtsneutral von den Kindern gelöst wurden und dies anschließend von den Lehrkräften kritisiert wurde.
Und damit: Willkommen im Gruselkabinett des Goldenen Zaunpfahl.

(as)


Der Wink mit dem Zaunpfahl geht nach Stuttgart zum Klett Verlag.
Der Dank für die Einreichung an @linaHellmich.

Aktualisierung vom 16.07.2021

Aufgrund einer erneuten Diskussion um diese Unterrichtsübung auf Social Media im Juli 2021 haben wir den Verlag nochmals auf bestehende Probleme mit dem Material hingewiesen. Wir freuen uns, dass Klett daraufhin mit uns telefonisch in Kontakt getreten ist und danken Klett für den Austausch und das Telefongespräch. Hier außerdem die Passage aus dem Begleitheft für Lehrkräfte, die zeigt, wie das Thema im Unterricht aufgearbeitet werden sollte. In kommenden Auflagen wird die Übung aber nicht mehr abgedruckt werden, weil sie in der Vergangenheit zu oft zu Missverständnissen geführt hat.

Quelle: Klett Verlag

Wir begrüßen es sehr, dass die Übung entfernt wird, denn für eine gendersensible Pädagogik ist sie auch mit Begleitheft nur sehr eingeschränkt geeignet. Zum Beispiel, da sie zunächst die Reproduktion von Stereotypen fördert, bevor diese abgebaut werden können. Einleuchtend schien uns entsprechend auch dieser Einwand:

(sb)

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